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Der Schatten von Olympia

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Liebe Leserinnen und Leser

Laurens van Rooijen hört bei uns als Outdoor-Blogger auf. Wir möchten ihm für seine Bike-Blogs danken und wünschen ihm alles Gute auf seinem weiteren Weg.

Die Redaktion.

Der Mountainbike-Sport ist noch jung: Weltmeisterschaften gibt es erst seit 1990, olympischen Status erlangte der Sport auf die Spiele von Atlanta 1996 hin. Einen Monat vor den Olympischen Spielen von London stellt sich die Frage: Wie sauber ist der Bike-Sport?

Klar, es gibt ausgesprochen schlecht beleumundete Sportarten. Gewichtheben etwa, der 100-Meter-Sprint der Leichtathleten oder natürlich der Profi-Strassenradsport. Hier wurde der Schleier schon öfters gelüftet und systematische Leistungsmanipulation offensichtlich. Aber wer nicht ausgesprochen naiv oder durch Sympathie befangen ist, kann keiner Sportart einen Persilschein ausstellen. Denn die Sachzwänge des kommerzialisierten Sportbetriebes spielen immer. Da macht leider auch der Mountainbike-Sport keine Ausnahme.

Häufung von Dopingfällen vor Olympia

Die Vergangenheit zeigt: Just im Vorfeld Olympischer Spiele häufen sich bei den Bikern die positiven Befunde. Schliesslich planen viele Sportler ihre Karriere in Vierjahres-Schritten um Olympia herum, für die man sich zudem erst einmal gegen nationale Konkurrenz qualifizieren muss. Wer wie der Belgier Filip Meirhaeghe im Frühsommer 2004 schon alles ausser eben Olympia-Gold gewonnen hat, kann schon mal in Versuchung kommen. Prompt wurde der Belgier als amtierender Weltmeister zwei Monate vor den Spielen von Athen des EPO-Missbrauchs überführt und aus dem Verkehr gezogen.

Meirhaeghe ist kein Einzelfall: Vier Jahre später wurde der Däne Peter Riis Andersen ebenfalls positiv auf EPO getestet und gesperrt, 2010 folgte mit der Spanierin Marga Fullana ein weiterer prominenter Fall – die Dame war bereits dreifache Weltmeisterin, als sie in den Kontrollen hängen blieb. Jérome Chiotti aus Frankreich gab erst Jahre später den Griff zu Dopingmitteln zu, worauf Thomas Frischknecht nachträglich zum Weltmeister 1996 gekürt wurde. Denn damals, im Jahr der olympischen Premiere in Atlanta, war Frischknecht hinter Chiotti Vize-Weltmeister geworden.

Die Liste lässt sich verlängern, das Bild verdüstert sich entsprechend. Doch die Schweiz steht mit einer relativ sauberen Weste da: Für Aufsehen sorgte der Fall Jürg Graf. Der wurde im Frühjahr 2009 nach dem Gewinn eines nationalen Rennens positiv auf ein verbotenes Blutdruck-Mittel getestet, bestritt aber eine wissentliche Leistungsmanipulation. Vor einer Sperre schützte ihn dieses Dementi nicht. Und weil sein Vater Urs Graf zum Sohn hielt, entliess ihn Swiss Cycling als Nationaltrainer. Inzwischen ist Grafs Sperre abgelaufen, und der Rheintaler fährt wieder Rennen – aber die Rückkehr an die nationale Spitze gelang ihm nicht.

Swiss Olympic und die Grauzonen

Für Stirnrunzeln unter Insidern sorgte im Vorfeld der Olympischen Spiele von Peking der Chief Medical Officer von Swiss Olympic: Beat Villiger, ein auch im Fernsehen gerne und oft zitierter Experte, bot alle für Olympia nominierten Athleten zu Gesundheits-Checks nach Nottwil auf. Und Villiger sprach unumwunden davon, dass man Grauzonen ausnutzen müsse, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Im Fall von Nino Schurter hiess dies: Der Bündner, im Nachwuchsbereich bereits Weltmeister bei den Junioren und in der U-23-Kategorie, wurde vor Peking von Swiss Olympic zum Asthmatiker erklärt und darf seither zu Asthmasprays greifen, um die Sauerstoff-Aufnahme zu optimieren. Nur zwei Athleten stellten sich im Frühjahr 2008 öffentlich gegen Villigers Ausnutzen der Grauzonen: Der Schwimmer Karel Novy und der BMX-Spezialist Roger Rinderknecht.

Aber es gibt auch Grund zur Hoffnung, dass der Bikesport in der Tat weniger versaut als etwa der Strassenradsport ist. Rennteams sind als Arbeitgeber und als Logistik-Dienstleister für die Reisen an Worldcup-Rennen zwar unerlässlich, Mountainbiken ist aber dennoch ein Individualsport. Ausreisser werden nicht durch konzertierte Team-Efforts zurückgeholt, und Fahrer verschiedenster Teams trainieren nicht nur oft zusammen, sondern sind auch in denselben Hotels untergebracht. Das kommt der gegenseitigen Kontrolle zu Gute – und erschwert pharmazeutische Manipulationen.

Weniger Geld, weniger Betrug?

Auch bei den Salären sind die Unterschiede zwischen Radsportlern im Gelände und den Strassenprofis markant: Während die grossen Namen des Strassenradsports mehrere Millionen pro Jahr als Fixum einstreichen und nochmals so viel aus Werbeverträgen kassieren, kommen die Stars des Bikesports zwar gut über die Runden, werden aber noch längst nicht zu Millionären. Dadurch verschiebt sich für potenzielle Doper das Kosten-Nutzen-Kalkül: Sie riskieren, zumal als Kaderathleten, beim Griff zu verbotenen Mitteln oder Methoden etwa gleich viel wie ihre Kollegen auf der Strasse, aber der potenzielle Gewinn ist deutlich geringer.

Vor allem aber zeigt sich unter den Aktiven eine ganz andere Einstellung als bei den Strassenprofis: Doper werden nach verbüsster Strafe nicht mit Floskeln wie «jeder hat eine zweite Chance verdient» willkommen geheissen. Auch Ersttäter (oder realistischer: erstmals Erwischte) sehen sich einer breiten Ablehnung gegenüber, und Rückendeckung durch den nationalen Verband dürfen sie auch nicht erwarten. Das musste auch Filip Meirhaeghe erfahren, der nach seiner Sperre nicht nur nicht mehr zu alter Stärke zurückfand, sondern sich von den Kollegen einiges anhören musste.

Transparenz versus Privatsphäre

Für Aufsehen sorgte in Deutschland zudem der mediale Schlagabtausch, den sich Sabine Spitz, die Mountainbike-Olympiasiegerin von 2008, und Lado Fumic lieferten. Den Anlass dazu lieferte die Verschärfung der Meldepflicht für Kaderathleten im Laufe der Saison 2009. Dies mit dem Ziel, unangekündigte Trainingskontrollen zu ermöglichen. Fumic wehrte sich vehement dagegen und erwägte gar einen Gang vor Gericht, da er seine Privatsphäre und damit seine Menschenrechte beschnitten sah. Mit dieser Meinung war er aber bald isoliert.

Spitz hingegen stellte sich ohne Vorbehalte hinter die neuen, schärferen Regeln und befürwortete gar weiter gehende Schritte hin zum gläsernen Athleten, wie die Veröffentlichung ihrer Blutparameter. In der Folge verkrachte sich Lado Fumic mit dem deutschen Verband, flog aus dem Kader und baute sportlich ab. Heute sorgt nicht mehr Lado, sondern dessen Bruder Manuel Fumic für Furore, und der hat sich in der damaligen Diskussion wohlweislich zurückgehalten. Und Sabine Spitz tritt 2012 nochmals an

Was denken Sie: Ist der Mountainbike-Sport sauberer als andere Sportarten? Sind die bisherigen Dopingfälle nur die Spitze des Eisberges? Ist im Vorfeld der Olympischen Spiele von London mit unangenehmen Überraschungen zu rechnen? Und ist die Rede vom Ausnutzen von Grauzonen nicht ein Spiel mit dem Feuer?



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